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Natur braucht Stadt
Die Biodiversität in Agglomerationen ist gross – aber bedroht

Nachhaltigkeit

Themenjahr motivierte zum Handeln

Im Siedlungsraum gibt es viel Potenzial, dem Biodiversitätsverlust entgegenzuwirken. Der Botanische Garten der Universität Bern (BOGA) und Stadtgrün Bern haben deshalb von April bis Oktober 2021 das Themenjahr «Natur braucht Stadt – Mehr Biodiversität in Bern» durchgeführt. Vielfältige Aktivitäten und Praxishilfen motivierten die Bernerinnen und Berner, naturnahe Lebensräume anzulegen.

 

Das Insektensterben, bedrohte Wildpflanzen und der Rückgang des Singvogelbestandes, all diese Nachrichten schrecken viele Menschen auf. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger erkundigen sich bei der Fachstelle Natur und Ökologie von Stadtgrün Bern, was sie tun können, um diese Tendenz aufzuhalten. Mittlerweile ist klar: Seit Jahren schreitet der Biodiversitätsverlust nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit rasant fort und viele Arten gehen für immer verloren. «Die Biodiversität in der Stadt, die erheblich zur gesamten Biodiversität beiträgt, ist stark unter Druck. Ihre Förderung ist zudem sehr wichtig, weil die meisten Menschen Natur im Alltag vor allem als Stadtnatur erfahren», sagt Markus Fischer, Direktor des BOGA, Professor für Pflanzenökologie an der Universität Bern und international renommierter Biodiversitätsexperte.

Je mehr Menschen sich daher engagieren und zusätzliche naturnahe Flächen schaffen, desto besser für die Artenvielfalt. Ein eigener Garten ist dabei zwar hilfreich, aber nicht nötig. Artenvielfalt lässt sich auf jedem Fenstersims, Balkon und auf jeder Aussenfläche fördern, ob auf dem Boden, an Wänden oder auf dem Dach. Wer sich engagieren möchte, hat jedoch oft nach kurzer Zeit viele konkrete Fragen: Welche Massnahmen eignen sich für mich? Habe ich genügend Platz? Kann ich den gewünschten Lebensraum selbst anlegen und pflegen oder muss das ein professioneller Gartenbaubetrieb machen? Und wieviel kostet das?

Kurz gesagt

«Wir sind Zeugen eines weltweiten Massenaussterbens, in der Geschwindigkeit vergleichbar mit jenem, als die Dinosaurier verschwanden, doch dieses Mal durch den Menschen verursacht.»
Prof. Dr. Markus Fischer

Viele Möglichkeiten, die Biodiversität zu fördern

Das Themenjahr «Natur braucht Stadt – Mehr Biodiversität in Bern» bot von Ende April bis Ende Oktober 2021 eine breite Palette an Praxishilfen und Aktivitäten: Sieben Stadtspaziergänge zu naturnahen Lebensräumen, ein breitgefächertes Ausstellungs- und Rahmenprogramm sowie einen interaktiven Stadtplan. Die Sonderausstellung «Von Nischen und Königreichen» im BOGA zeigte Kleinstrukturen und Nisthilfen und bot hilfreiche Tipps für die Umsetzung zu Hause. Welche Tierarten in Bern vorkommen und gefördert werden können, konnte man im Naturhistorischen Museum und im Tierpark erfahren, alle standortheimischen Sträucher waren in der Parkanlage Elfenau ausgestellt.

Das ausführliche Praxishandbuch «Natur braucht Stadt – Mehr Biodiversität in Bern» dient als Grundlage für alle, die selbst einen naturnahen Lebensraum schaffen möchten. Das Handbuch zum Download sowie eine Übersicht über das Themenjahr gibt es auf www.bern.ch/naturbrauchtstadt.

Kurz gesagt

«Die Schweiz hat eine europaweit rekordlange Liste bedrohter Arten. Das Bundesamt für Umwelt bestätigt Jahr für Jahr, dass gut ein Drittel, je nach Organismengruppe auch mehr, aller Arten hierzulande bedroht oder bereits verschwunden ist.»
Prof. Dr. Markus Fischer

Berner Pioniere

Die Stadt Bern und der BOGA setzen sich seit Jahren dafür ein, den Biodiversitätsverlust aufzuhalten. Bern hat seit 2012 als erste Schweizer Stadt ein Biodiversitätskonzept. Wo es möglich ist, schafft Stadtgrün Bern in den öffentlichen Grünräumen neue Lebensräume für Pflanzen und Tiere und pflegt diese fachgerecht: Neue Wildhecken, neue Teiche, Blumenwiesen oder «wildes Grün» entlang der Strassen sind Beispiele dafür.

Der BOGA macht mit seinen Ausstellungen, Führungen, Lesungen und weiteren Aktivitäten auf die Gefährdung der Biodiversität aufmerksam, vermittelt ihre wertvolle Bedeutung für den Menschen und zeigt Möglichkeiten der Biodiversitätsförderung auf (www.boga.unibe.ch).

Die Universität Bern setzt in ihrer Forschung und Lehre einen Schwerpunkt im Bereich der Biodiversität. Mehr dazu im UniPress-Gespräch mit Markus Fischer vom November 2021.

«Für die biologische Vielfalt ist es 5 vor 12»

UNO-Biodiversitätskonferenz

Neuer Anlauf gegen das Artensterben

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, auch Biodiversitätskonvention, ist das wichtigste internationale Abkommen zum Schutz der Biodiversität. 2010 wurden an der 10. Konferenz der Vertragsstaaten die Aichi-Ziele verabschiedet, die bis 2020 hätten erreicht werden sollen – aber klar verfehlt wurden. An der 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) sollte die Nachfolgevereinbarung der Aichi-Ziele verabschiedet werden. Ursprünglich war die COP15 für Oktober 2020 in Kunming, China, geplant. Wegen der Covid-19-Pandemie wurde sie auf Oktober 2021 verschoben. Ein erster Teil der Verhandlungen fand dann als Videokonferenz statt und führte zu einer wenig konkreten Erklärung, bei welcher der Schutz von 30 Prozent der Erdfläche eine zentrale Rolle spielt. Im ersten Halbjahr 2022 soll das Nachfolgeabkommen der Aichi-Ziele bei einem Präsenztreffen in China verabschiedet werden. Markus Fischer, Professor für Pflanzenökologie und Direktor des Botanischen Gartens Bern, ist als international renommierter Experte im Weltbiodiversitätsrat IPBES aktiv. In diesem Rahmen hat er mitgeholfen, wissenschaftlich begründete Handlungsempfehlungen zuhanden der UNO-Biodiversitätskonferenz zu erarbeiten, und hat Kommentare zu den ersten Entwürfen der neuen Ziele, dem sogenannten Post-2020-Framework, eingebracht.

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